Hinweisgebersysteme als Chance für Unternehmen

schweigen und geheimhaltung
Im Interview mit Ari Albertini von FTAPI zu den Folgen der EU-Whistleblower-Richtlinie für Unternehmen.

Die EU-Whistleblower-Richtlinie bedeutet neue Vorgaben für Unternehmen. Warum sollten Firmen dies als Chance und nicht als Last ansehen?

Ari Albertini: Wichtig ist zuallererst: Es geht hier nicht um theoretische Probleme. Denn jede größere Whistleblower-Geschichte der letzten Jahre zeigt zwei Dinge: Hinweisgeber*innen verhindern zum einen Wirtschaftskriminalität. Zum anderen haben sie es dabei immer noch enorm schwer.

In der Regel wollen Whistleblower das eigene Unternehmen vor Schaden bewahren und verbessern. Dabei geht es um verschiedenste Themen. Das beginnt beim Fehlverhalten Einzelner, über wachsende Verdachte bis hin zu eindeutig kriminellen Vorgängen. Mit einem entsprechenden vertraulichen Meldekanal schützen Firmen sich und ihre Belegschaft besser. 

Das Gesetz zum Meldekanal kommt – spätestens im Dezember 2021

Kurz zu den Rahmenbedingungen: Die EU-Whistleblower-Richtlinie sieht vor, dass Unternehmen ab 50 Mitarbeiter*innen einen Meldekanal für Hinweisgeber*innen einrichten. Hierüber muss man vertraulich Hinweise einer internen oder externen Stelle melden können. Dabei unterliegt jede Meldung der Dokumentationspflicht. Zwar steht noch nicht genau fest, wie deutsche Unternehmen das im Detail umsetzen müssen. Die Pflicht kommt aber auf jeden Fall. Bis Dezember 2021 muss der Gesetzgeber ein deutsches Gesetz hierzu schaffen.

Hier eine zuverlässige Lösung und einen passenden Prozess einzusetzen, lohnt sich in jedem Fall. Ein glaubwürdiges Meldesystem schafft Vertrauen: bei Mitarbeitern, Partner und in der Öffentlichkeit. Es kann den Kulturwandel in Unternehmen unterstützen. Hin zu einer gelebten Fehlerkultur und einer offeneren Kommunikation.

Melden, was sonst nie zur Sprache kommt.

Daneben kann man auf kleine Fehler hinweisen. Denn die kommen meist nie zur Sprache. Besonders bei KMU gibt es oft keine Compliance-Abteilungen. In extremen Fällen schützt ein Meldesystem sogar vor schweren Betrugsfällen, Strafzahlungen und Umsatzeinbußen. Unternehmen sollten daher ein starkes Eigeninteresse haben.

FTAPI kommt nicht aus dem klassischen Compliance und Legal-Bereich. Warum war es Ihnen wichtig, dennoch eine Lösung für diese unternehmerische Herausforderung anzubieten?

Mit uns können Unternehmen ihre Daten sicher austauschen. Denn das ist der Schlüssel für ihre digitale Souveränität. So minimieren sie außerdem digitale Risiken. Damit bewegen wir uns immer im Umfeld von rechtlichen Verpflichtungen. Dazu gehört konkret das Bundesdatenschutzgesetz und seine Anpassung durch die DSGVO im Jahr 2018. 

Wir möchten Kunden zu neuesten Entwicklungen abholen. Das umfasst Trends, die sie vielleicht noch nicht auf dem Radar haben. Aus dieser Überzeugung heraus schauen wir immer auch über den Tellerrand. Dafür tauschen wir uns mit Kanzleien und Datenschützer*innen aus.

Hinweisgebersysteme am besten standardisieren

Wir haben schnell erkannt, dass sich unsere SecuForms als vertrauliche Meldekanäle eignen. Diese standardisierte digitale Lösung können Kunden schnell und unkompliziert bei sich einbinden.

Dieser Kanal kann auf Wunsch Meldungen nur an dezidierte Personen oder Externe senden. Das senkt die Hemmschwelle für Meldungen. Es ist anonymer, als auf einen Anrufbeantworter zu sprechen. Oder sich direkt bei einer entsprechenden Stelle zu melden. Die Einrichtung eines digitalen Meldekanals dauert also weder lange, noch ist sie teuer.

Viele Unternehmen haben bereits Meldekanäle etabliert. Warum ist sind die EU-Vorgaben dennoch wichtig?

Freiwillige Regelungen sind oft sinnvoll und ausreichend. Dafür müssen Firmen diese auch umsetzen. Wenn sich nur wenige daran halten, werden Gesetze und Pflichten leider notwendig. Konzerne und börsennotierte Firmen nutzen meistens bereits Meldekanäle. Für sie gelten teilweise ohnehin strengere Regeln. In der Breite geht es bei der Pflicht eher um KMUs.

Gerade bei vertraulichen Daten brauchen wir daher verbindliche Standards. Whistleblower müssen sich sicher fühlen können. Denn nach einer Meldung sollten sie keine Nachteile fürchten müssen. Wenn freiwillige Meldesysteme so funktionieren würden, wie sie angedacht sind, würden wir vermutlich mehr über Unternehmensfehler und weniger über die Schicksale der Whistleblower wissen.

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Ari Albertini ist VP Product & Marketing bei der FTAPI Software GmbH.